Die Saadier-Gräber

Lange Zeit waren die Saadier-Gräber eingemauert und vergessen. Seit ihrer Wiederentdeckung gehören die Mausoleen der mächtigen Dynastie jedoch zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Marrakesch. Allerdings birgt ihr Besuch auch einen Haken.

Wie die gesamte Medina zählen auch die Saadier-Gräber zum Weltkulturerbe der UNESCO. Die historische Grabanlage besteht aus zwei prächtigen Mausoleen und zählt heute zu den populärsten Sehenswürdigkeiten von Marrakesch. Die Anlage beherbergt die Gräber von insgesamt sieben Sultanen und 62 Familienmitgliedern der Saadier-Dynastie. Diese herrschte von 1549 bis 1659 in Marokko. Unter ihrer Ägide stieg Marrakesch 1554 zum Regierungssitz auf.

Die Grabmonumente schließen sich direkt an den hinteren Teil der Moschee Moulay El Yazid (früher Kasbah-Moschee) an. Der Eingang zu den Gräbern liegt versteckt an der Südseite der Moschee. Diese unauffällige Lage hat einen besonderen Grund; doch dazu später mehr. Heute sind die Saadier-Gräber wieder für die Öffentlichkeit zugänglich und ihre handwerkliche Raffinesse erstrahlt in einstigem Glanz.

Die beiden Mausoleen, die diese Anlage dominieren, werden von einem orientalischen Garten umgeben. In ihm befinden sich über hundert weitere Gräber von Richtern, Soldaten und nahen Dienern. Außerdem wurden dort auch mehrere jüdische Berater bestattet, die das Vertrauen des Sultans genossen und hohe Positionen bekleideten.

Kleines Mausoleum Saadiergräber
Das kleinere der beiden Mausoleen; hier ruht Lalla Massouda, die Mutter des Sultans Ahmad al-Mansur

Geschichte der Saadier-Gräber

Ursprünglich diente das Gelände der Nekropole lediglich als Garten der heutigen Kasbah-Moschee. Doch schon Jahrhunderte vor der Regentschaft der Saadier wurden dort mehrere Emire sowie der Meriniden-Sultan Abu l-Hasan begraben. Nachdem 1557 osmanische Agenten den ersten Saadier-Sultan Mohammed ech-Cheikh töteten, wurde auch er auf dem Gelände beigesetzt. Später ließ ihm sein Sohn Abu Muhammad Abdallah al-Ghalib dort ein richtiges Grabmal errichten, in dem er selbst 1574 ebenfalls beigesetzt wurde.

Sultan Ahmad al-Mansur verleiht der Grabstätte neuen Glanz

Ahmad al-Mansur
Ahmad al-Mansur

1578 setzte sich Ahmad al-Mansur als neuer Herrscher durch. Er war der fünfte und berühmteste Sultan der Saadier-Dynastie. Al-Mansur führte Marokko in eine wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit. Der wirtschaftliche Austausch mit England und anderen europäischen Staaten florierte. Auch der Transsaharahandel gewann rasant an Bedeutung.

Nach der Machtübernahme ließ al-Mansur nicht viel Zeit verstreichen. Zügig begann er mit der Vergrößerung der gesamten Begräbnisstätte. Im Zuge dessen ließ er auch die beiden prächtigen Mausoleen errichten. Sie waren bestimmt für seinen Vater, seine Mutter, seine eigenen Nachkommen und natürlich auch für ihn selbst.

Moulay Ismael und das Ende der Saadier-Gräber

Ahmad al-Mansur verstarb 1603 während einer Pestepidemie. Mit seinem Tod endete die große Zeit der Saadier-Dynastie. Während die Alawiden begannen, ihre Macht auszudehnen, verfielen die Saadier-Gräber zusehends.

1672 setzte sich der Alaouiten-Sultan Moulay Ismail gegen seine 83 Brüder und Halbbrüder im Kampf um die Thronfolge durch. Moulay Ismael, genannt „der Blutdürstige“, galt als unberechenbarer Sadist. Er ließ willkürlich Menschen zum Tode verurteilen. Die Köpfe seiner enthaupteten Opfer zierten später die Stadtmauern. Historiker schätzen, dass auf diese Weise mehr als 30.000 Menschen ihr Leben verloren.

Moulay Ismail Marokko
Moulay Ismail

Allerdings sagt man Moulay Ismail auch eine besondere Schwäche für Frauen nach. Aus unzähligen Abenteuern mit seinen vier Ehefrauen und mehr als 500 Hofkonkubinen soll er insgesamt 888 Kinder gezeugt haben. Eine Leistung, die auch von Guinness World Records anerkannt wurde. Für ihre Forschung über das Fortpflanzungsverhalten Moulay erhielten 2015 zwei deutsche Evolutionsbiologen den Ig-Nobelpreis.

Wie viele andere Herrscher begann Moulay Ismael nach seiner Machtübernahme, das bauliche Erbe seiner Vorgänger zu verdrängen und allmählich auszulöschen. Deswegen ließ er Bauwerke aus der Saadier-Zeit, wie den El-Badi-Palast, zerstören. Ein klassischer Fall symbolischer Machtpolitik, für den es auch in Europa zahlreiche Beispiele gibt.

Angesichts seines skrupellosen Wirkens ist es sehr erstaunlich, dass Moulay Ismael im Eifer seiner Zerstörung vor den Saadier-Gräbern haltmachte. Offenbar befürchtete der Sultan, durch den Abriss der Grabstätte ein Sakrileg zu begehen. Deswegen ließ Ismael die gesamte Grabstätte bis auf einen kleinen versteckten Durchgang einmauern. Im Gegensatz zu vielen anderen Bauwerken konnten die Saadier-Gräber so glücklicherweise die Alaouiten-Dynastie überleben.

Zufällige Wiederentdeckung der Grabstätte

Mit dem Ende der Saadier-Dynastie gerieten auch die Gräber allmählich in Vergessenheit. Langsam aber stetig verschwanden sie aus dem Gedächtnis der Stadt. Die Grabstätte lag mehr als zwei Jahrhunderte im Dornröschenschlaf und verwilderte zusehends. Zuletzt nahmen sie nur noch streunende Katzen und die Störche aus dem nahegelegenen Palast El Badi in Beschlag.

Doch Anfang des 20. Jahrhunderts wurden die Gräber unversehens wiederentdeckt. Im Jahr 1917 gab der französische Generalresident Hubert Lyautey Luftaufnahmen von Marrakesch in Auftrag. Auf diesen bemerkte man die Ruinen der Anlage. Bei weiterer Überprüfung erkannte Generalresident Lyautey den kulturhistorischen Wert der Saadier-Gräber und ließ sie restaurieren. Es dauerte nicht mehr lange, und die „Tombeaux Saadiens“ konnten der Öffentlichkeit wieder in ihrer einstigen Pracht präsentiert werden.

Aufbau der Saadier-Gräber

Die Anlage der Saadier-Gräber ist vollständig von den für Marrakesch typisch schlichten Mauern aus Stampflehm umschlossen. Die prachtvolle Grabstätte besteht aus zwei Mausoleen. Sie sind mit wertvollen Mosaiken, Intarsien aus Carrara-Marmor sowie kunstvollen Stuckverzierungen ausgestattet. Die Mausoleen sind von einem orientalischen Garten umgeben. Die Grünanlage verbindet die unterschiedlichen Gebäude harmonisch miteinander und verleiht der gesamten Anlage eine ruhige und besinnliche Atmosphäre.

Aufbau Saadier Gräber Marrakesch
Schematischer Aufbau der Saadier-Gräber

Am östlichen Ende der Saadier-Gräber befindet sich eine kleine Ausstellung. Darin werden in Zusammenarbeit mit dem Maison de la Photographie historische Fotografien der Mausoleen präsentiert. Nebenher läuft ein Film über die Restaurierung der Grabmonumente.

Das große Mausoleum

Das erste und größere Mausoleum befindet sich auf der Westseite der Anlage. Es gliedert sich in drei nebeneinander liegende Säle: den Raum des Mihrab, den Raum der zwölf Säulen sowie den Raum der drei Nischen.

Der Raum des Mihrab

Der Raum des Mihrab ist mit einer großzügig verzierten Gebetsnische ausgestattet. Diese wird als Mihrab bezeichnet und ist nach Mekka ausgerichtet. Der Raum wurde zunächst als Gebetsraum genutzt. Der Hufeisenbogen des Mihrab hat eine ähnliche Höhe wie der Durchgang zum mittleren Saal. Er wird von einem ornamental gefüllten Alfiz umgeben. Diese Art von Umrahmung ist charakteristisch für die islamische Architektur.

Die vier zentral positionierten Marmorsäulen gliedern den Raum in verschiedene Bereiche. Auf ihnen ruhen weiß verputzte Hufeisenbögen. Zwischen diesen Bögen spannen sich sieben mit Girih-Mustern bedeckte Kuppeldächer. Auf der nördlichen Seite erkennt man außerdem eine kleine Kuppellaterne.

Saadiergräber Marrakesch: Raum des Mihrab
Der Raum des Mihrab

Im Raum des Mihrab befinden sich jedoch nicht nur die in Marmor eingefassten Gräber mehrerer saadischer Fürsten. Hier wurde außerdem der Alawiden-Herrscher Moulay El Yazid beigesetzt. Er gehört zu den wenigen Personen, die nach Moulay Ismaels Regentschaft noch in den Saadier-Gräbern bestattet wurden. Yazid war als „der verrückte Sultan“ bekannt. Er regierte nur zwei Jahre (1790-1792) in einer Zeit, die von einem verheerenden Bürgerkrieg geprägt war.

Raum der zwölf Säulen

Der prächtigste Raum des ersten Mausoleums ist der sogenannte „Raum der zwölf Säulen“. Der prunkvoll ausgestattete Saal bildet mit seinem quadratischen Grundriss das Zentrum der Anlage. Hier liegen die Überreste des Saadier-Sultans Ahmad el-Mansur. Dessen Grabstätte wird von den Särgen seiner Söhne flankiert.

Über die Mitte des Raumes spannt sich eine kunstvoll gefertigte Kuppel aus bemaltem und teilweise vergoldetem Zedernholz. Sie thront auf 12 großen Marmorsäulen, die aus italienischem Carrara-Marmor gefertigt wurden. Mit Rautenmustern verzierte Zwickel verbinden die in Gruppen stehenden Säulen. Sie bilden zusammen mit den feinen Stuckarbeiten ein beeindruckendes Ensemble maurisch-andalusischer Baukunst. Das eigentümliche Licht, das hier nur gedämpft eindringen kann, vollendet diese Atmosphäre.

Saadier-Gräber Marrakesch: Raum der 12 Säulen
Der Raum der zwölf Säulen

Diese Opulenz führt sich in der Ausstattung des Saales fort. Hier dominieren die geschwungenen Stalaktitbögen. Die Wände sind mit Zellij-Kacheln verziert. Diese Fliesen bestehen aus Terrakotta und sind mit einer dünnen Emailleschicht überzogen. Häufig sind sie kunstvoll mit floristischen Motiven bemalt. Zellij-Kacheln gelten als typisches Element der maurischen Architektur. Man kann sie in vielen Moscheen, Palästen und Verteidigungsanlagen finden. Mit ihnen veredelte man früher Wände, Fußböden, Bäder und sogar Tische.

Der Raum der drei Nischen

Im dritten Raum des großen Mausoleums befinden sich auch einige Kindergräber. Hier ist das diffuse Licht, das in sämtlichen Räumlichkeiten eine geheimnisvolle Atmosphäre erzeugt, am auffälligsten. Dieser Effekt entsteht, weil die Sonnenstrahlen nur gedämpft von oben in die Grabanlage eindringen können und stark gestreut werden.

Das kleine Mausoleum

Das kleinere Mausoleum befindet sich im Zentrum des Geländes. Es wurde mit seiner Nordseite direkt an die Mauer der Moschee gebaut. In diesem Mausoleum befinden sich die Gräber mehrerer enger Familienangehöriger und Vertrauter der Saadier-Herrscher.

Saadier-Gräber: Loggia im kleinen Mausoleum

Dieses Mausoleum ist deutlich schlichter gestaltet als die prunkvollen Innenräume des großen Grabmals. Unter der Traufe des mit grün glasierten Ziegeln bedeckten Daches verläuft ein aus Zedernholz geschnitztes Schriftband. Darunter zieht sich ein breiteres, netzförmiges Band. Im unteren Bereich des Mausoleums die Wände mit Fayencemosaiken verziert.

Im Nordteil des Gebäudes befinden sich auf den beiden gegenüberliegenden Seiten zwei Loggien. Sie werden von prunkvollen Giebelbauten aus Zedernholz überragt, die von je zwei Marmorsäulen gestützt werden. Hinter diesen liegt ein kleiner Gebetsraum. Dort befindet sich auch das Grab von Lalla Massouda. Die Mutter des Sultans Ahmad el Mansur wurde hier 1591 beigesetzt.

Im südlichen Teil der Anlage liegen weitere Gräber. Auch hier findet man Fayencemosaike und Schriftbänder an den Wänden. Sehr markant ist weiterhin ein zentrales Bogentor mit einem von Arabesken gefüllten Alfiz. Der Dachstuhl des Raumes besteht aus einer kleinteiligen geometrischen Zedernholz-Konstruktion, die teilweise bemalt und vergoldet ist.

Fazit: Saadier-Gräber

Die vergessene Grabstätte in der südlichen Medina gehört heute zu den sehenswertesten Baudenkmälern in Marrakesch. Die Nekropole erinnert stark an die Alhambra. Trotzdem darf man nicht vergessen, dass die Saadier-Gräber natürlich viel kleiner sind als die maurische Burg im spanischen Granada.

Die begrenzte Größe der Saadier-Gräber wird vor allem zur Hauptbesuchszeit spürbar. Halten sich viele Besucher in der Anlage auf, bildet sich vor dem Saal der zwölf Säulen eine Schlange. Wer an solchen Tagen das Grab von Sultan al-Mansur fotografieren möchte, muss entweder anstehen oder zeitig erscheinen.

Saadier Gräber Touristen
Reisegruppen à la Holidaycheck sorgen für ausreichendes Publikum

Praktische Infos

Aufgrund ihrer relativ abgelegenen Lage sollte man den Besuch der Saadier-Gräber mit einer anderen Sehenswürdigkeit in der Südmedina kombinieren, zum Beispiel mit dem El-Badi-Palast.

Lage

Die Saadier-Gräber befinden sich neben der großen Kasbah-Moschee in der Rue de la Kasbah. Der einfachste Weg führt vom Djemaa el Fna über die Rue Riad Zitoune und die Rue Bab Agnaou. Ab der Rue de Kasbah ist der Weg mit Wegweisern ausgeschildert. Für diese Strecke benötigt man zu Fuß je nach Tageszeit etwa 15 bis 20 Minten.

Das gesamte Gelände der Saadier-Gräber ist mit dem Rollstuhl passierbar. Jedoch sollte dieser aufgrund des schmalen Eingangsbereichs nicht sehr breit sein.

Öffnungszeiten

Die Gräber sind täglich von 9.00 bis 17.00 Uhr geöffnet. Früh am Morgen sowie am späten Nachmittag ist der Besucherandrang nicht ganz so stark wie zu den Stoßzeiten.

Eintritt

Der Eintritt zu den Saadier-Gräbern war früher ausgesprochen günstig und kostete nur 10 DH. Inzwischen bezahlen Erwachsene 70 DH Eintritt. Aufgrund der viel geringeren Größe der Grabanlage im Vergleich mit dem Bahia-Palast oder dem Museum Dar Si Said ist dieser Preis wirklich stattlich.

Saadiergräber Marrakesch: Eintritt
Der relativ hohe Eintritt für die Saadier-Gräber sorgt leider nicht für weniger Touristen

Am Einlass wird der internationale Künstlerausweis akzeptiert, den die Nationalkomitees der International Association of Art (IAA) herausgeben.

(Fotos: Riads Marrakesch)

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert