Religion in Marokko

Der Islam ist zwar mit über 98% die dominierende Religion in Marokko, doch das nordafrikanische Land kann auf eine Geschichte mit größerer konfessioneller Vielfalt zurückblicken, in der auch kleinere Glaubensgemeinschaften von Christen und Juden deutliche Spuren hinterlassen haben. Die Globalisierung stellt Marokko auch in dieser Hinsicht vor Herausforderungen. 

Die religiöse Zusammensetzung Marokkos hat sich über die Jahre kaum verändert: Der Islam ist nicht nur Staatsreligion, sondern prägt den Alltag und die Identität der meisten Menschen. Rund 90 % der Muslime gehören der sunnitischen Glaubensrichtung an, während andere Religionen in Marokko wie das Christen- und Judentum nur eine kleine Minderheit darstellen. 

Trotz dieser Unterschiede wird religiöse Vielfalt in Marokko offiziell anerkannt, wobei die Verfassung sowohl den Islam als zentrale Religion als auch die Rechte anderer Gemeinschaften betont.

ReligionszugehörigkeitBevölkerungsanteil
Muslime98.67 %
Christen0.09 %
Juden0.01 %
(Quelle: https://worldreligiondatabase.org, 2023)

Neben dem Islam hat Marokko eine bedeutende jüdische Geschichte, die bis ins 6. Jahrhundert v. Chr. zurückreicht. Heute leben allerdings weniger als 3.000 Juden im Land, doch ihr kulturelles Erbe bleibt sichtbar. 

Die christliche Minderheit, die vor allem aus Einwanderern besteht, übt ihren Glauben in einem stark regulierten Umfeld aus. Diese religiösen Besonderheiten und die Balance zwischen Tradition und Moderne prägen das gesellschaftliche Klima in Marokko.

Der Islam als dominierende Religion in Marokko

In Marokko ist der Islam Staatsreligion und prägt das öffentliche wie private Leben. Etwa 98,7 % der Bevölkerung sind Muslime, wobei rund 90 % der sunnitischen Glaubensrichtung, speziell der malikitischen Rechtsschule, angehören. König Mohammed VI. stellt als „Amir al-Mu’minin“ (Herrscher der Gläubigen) die religiös-politische Autorität des Landes dar und gilt zugleich als Hüter des Islam.

Historische Entwicklung

Der Islam erreichte Nordafrika im 7. Jahrhundert durch arabische Eroberungen und verbreitete sich schrittweise über mehrere Jahrhunderte. Trotz anfänglichen Widerstands der Berber gewann die Religion in Marokko zunehmend an Einfluss, was zur Entstehung neuer Städte wie Marrakesch und zur Entwicklung einer einzigartigen maurisch-islamischen Kultur führte. Diese Prägung zeigt sich bis heute in der Architektur von Moscheen und Palästen.

Innenhof der Medersa Ben Youssef in Marraeksch
Innenhof der Medersa Ben Youssef (Foto: Riads Marrakesch)

Der Islam heute

Gegenwärtig bleibt der Islam ein zentraler Bestandteil der marokkanischen Identität. Angesichts wachsender extremistischer Strömungen betont das Land eine spezifisch marokkanische Ausprägung des Islam, die stark vom Sufismus beeinflusst ist. Dieser Ansatz gilt als tolerant und weltoffen und dient zugleich als Schutzschild gegen radikale Einflüsse sowie zur Wahrung der nationalen Identität. Die Verfassung verankert die Vormachtstellung des Islam, während sie gleichzeitig Offenheit und Toleranz betont.

Religiöse Praktiken und Feste prägen den Alltag der Menschen. Der islamische Kalender bestimmt die wichtigsten Feierlichkeiten, darunter das Opferfest und der Ramadan, die tief in der Gesellschaft verwurzelt sind. Das Verhältnis zwischen Religion und Politik in Marokko bleibt dabei komplex, mit dem König als zentraler Instanz, die sowohl Modernität als auch religiöse Tradition verkörpert.

Sufismus

Der Sufismus, die mystisch-spirituelle Dimension des Islam, spielt in Marokko eine bedeutende Rolle und blickt auf eine lange Geschichte zurück. Bereits ab dem 10. und 11. Jahrhundert entstanden in Marokko Sufi-Bruderschaften, die bis heute aktiv sind.

Die Bruderschaften formen den religiösen Alltag vieler Marokkaner durch ihre Sitzungen und Feste, die eine emotionale und spirituelle Ausdrucksform des Islam darstellen. Diese Zusammenkünfte sind geprägt von Gesängen, Gebeten und manchmal ekstatischen Tänzen, die den Gläubigen helfen sollen, eine noch tiefere Verbindung zu Gott zu finden.

Sufis beschäftigen sich intensiv mit der menschlichen Seele und streben ein inneres Verständnis der Religion sowie persönliche Erleuchtung an. Eine der bekanntesten Ausdrucksformen dieser Spiritualität sind die „Tanzenden Derwische“. Diese Form des rituellen Tanzes wird in einigen Regionen praktiziert und symbolisiert die Suche nach göttlicher Nähe und innerem Frieden.

Eine besondere Ausprägung des marokkanischen Sufismus findet sich in der Gnaoua-Tradition. Die Gnaoua gehören zu den volkstümlichen Sufi-Bruderschaften in Marokko und pflegen einen einzigartigen Trance-Kult. Ihre Musik und Rituale verbinden uralte afrikanische Kosmogonie mit vorreligiösen Sufismus-Praktiken und beeinflussen die marokkanische Kultur erheblich.

Gnaoua-Musikgruppe beim Gnaoua-Festival in Essaouira
Jedes Jahr findet in Essaouira ein großes Gnaoua-Festival statt (Foto: Magharebia via Flickr, CC BY 2.0)

In Marokko spielen Sufi-Orden wie die Gnaoua, Aissawa, Tidschānīya und Hamadscha nicht nur eine wichtige Rolle im spirituellen Leben, sondern haben auch eine bedeutende gesellschaftliche und politische Funktion. Sie tragen zur Vielfalt des marokkanischen Islam bei und werden oft als Gegenpol zu extremistischen Strömungen gesehen.

Andere Religionen in Marokko

Christentum in Marokko

Etwa 1,1 % der Bevölkerung Marokkos sind Christen, die überwiegend der katholischen Kirche angehören. Kirchen treten selten als markante Bauwerke im Stadtbild hervor und christlicher Glaube wird daher meist in kleinen Gemeinschaften oder im familiären Kreis praktiziert.

Das Missionieren unter Muslimen ist in Marokko offiziell verboten und strafbar. Auch das Verteilen christlicher Literatur, insbesondere in arabischer Sprache, ist untersagt.

Obwohl der Übertritt vom Islam zum Christentum oder zu einer anderen Religion in Marokko gesetzlich erlaubt ist, führen sozialer Druck und gesellschaftliche Ausgrenzung häufig dazu, dass Konversionen äußerst selten vorkommen.

Geschichte des Christentums in Marokko

Das Christentum verbreitete sich vermutlich bereits in der römischen Antike im Gebiet des heutigen Marokkos. Im Norden Marokkos hielten viele Berber auch nach der islamischen Eroberung an christlich-jüdischen Glaubensvorstellungen fest, bis sie im 10. Jahrhundert zum Islam konvertierten.

Mit dem Aufstieg berberischer Dynastien wie der Almoraviden, Almohaden und Meriniden zwischen dem 11. und 15. Jahrhundert wurde das Christentum zunehmend verdrängt. Im 15. und 16. Jahrhundert versuchten Portugal und Spanien, in Marokko Fuß zu fassen, was zur Gründung christlicher Enklaven wie Ceuta und Melilla führte.

Zahlreiche Kirchen wurden während der spanischen Kolonialherrschaft im 20. Jahrhundert gebaut. Die Zahl der Christen wuchs auf fast eine halbe Million und das Christentum erlebte einen erneuten Aufschwung, bevor es nach der Unabhängigkeit 1956 wieder an Bedeutung verlor.

Die Situation der christlichen Minderheit heute

Heute bilden Christen mit etwa 1,1 % eine kleine Minderheit in Marokko. Der Islam ist Staatsreligion und die Weitergabe der christlichen Botschaft an Muslime steht unter Strafe. Ausländische Christen dürfen ihren Glauben praktizieren, werden jedoch von den Behörden beobachtet.

Die christliche Gemeinschaft wächst durch Zuwanderung aus Afrika. In manchen Städten versammeln sich bis zu 500 Gläubige in Gottesdiensten. Neben offiziellen Kirchen sind auch Hauskirchen verbreitet, obwohl rechtliche Einschränkungen bestehen. Marokkanische Konvertiten erleben oft gesellschaftlichen Druck und praktizieren ihren Glauben daher im Geheimen. 

Notre-Dame-Kirche Essaouira
Blick auf die katholische Notre-Dame-Kirche in Essaouira (Foto: Riads Marrakesch)

Die zahlenmäßig größte der christlichen Kirchen ist die römisch-katholische. Die Zahl der Katholiken beläuft sich auf rund 25.000 Personen. Davon sind 90 % Schwarzafrikaner (Studenten, Migranten, Geflüchtete), 10 % Europäer und andere. Aktuelle Grundlage des Rechtsstatus der katholischen Kirche in Marokko ist ein Brief von König Hassan II. an Papst Johannes Paul II. vom 30. Dezember 1983. Demnach ist die Kirche berechtigt, ihre seelsorglichen Aktivitäten zu entfalten sowie Eigentümerin von Immobilien für ihre Aufgaben im Bildungs- und Sozialbereich zu sein.

Judentum in Marokko

Die jüdische Gemeinschaft in Marokko, die heute weniger als 0,2 % der Bevölkerung ausmacht, hat eine über 2.500 Jahre alte Geschichte. Trotz ihrer geringen Größe spielt sie eine bedeutende Rolle in der Kultur des Landes.

Historische Entwicklung

Die Anfänge des Judentums in Marokko reichen bis ins 6. Jahrhundert v. Chr. zurück, als die ersten jüdischen Gruppen nach der Zerstörung des Ersten Tempels in Jerusalem in das Land kamen. Eine weitere bedeutende Einwanderungswelle folgte nach der Zerstörung des Zweiten Tempels im Jahr 70 n. Chr.

Unter islamischer Herrschaft entwickelte sich Marokko zu einem wichtigen Zentrum jüdischen Lebens. Im 15. Jahrhundert wuchs die jüdische Gemeinde erheblich, als sephardische Juden nach ihrer Vertreibung aus Spanien ins Land kamen. Sie bereicherten die jüdische Kultur und verstärkten die wirtschaftlichen und intellektuellen Netzwerke der Gemeinde.

Im 20. Jahrhundert lebten etwa 250.000 Juden in Marokko. Nach der Gründung Israels 1948 und zunehmenden Spannungen kam es allerdings zu einem massiven Exodus. Zwischen 1961 und 1964 organisierte der israelische Geheimdienst Mossad die Auswanderung von etwa 97.000 marokkanischen Juden nach Israel. Viele andere emigrierten nach Frankreich, Kanada oder in die USA.

Die jüdische Gemeinschaft in Marokko heute

Heute leben weniger als 3.000 Juden in Marokko, die meisten in Casablanca. Trotz ihrer geringen Anzahl zeigt die marokkanische Regierung großes Engagement für den Erhalt des jüdischen Erbes. Über 100 Synagogen, Friedhöfe und andere Stätten wurden restauriert, und das jüdische Kulturerbe wird zunehmend in Bildungs- und Kulturprojekten gewürdigt.

Ein Meilenstein war das 2020 unterzeichnete Normalisierungsabkommen zwischen Marokko und Israel, das die kulturellen und wirtschaftlichen Verbindungen stärkte. König Mohammed VI. ließ zudem neue Gremien zur Verwaltung der jüdischen Gemeinschaft und zum Schutz des immateriellen Erbes einrichten.

Die jüdische Gemeinschaft mag heute zahlenmäßig klein sein, doch ihr Einfluss auf die marokkanische Identität und Geschichte bleibt unübersehbar.

Jüdischer Friedhof in Marrakesch
Auf dem jüdischen Friedhof in Marrakesch (Foto: Riads Marrakesch)

Gesellschaftliche Herausforderungen und religiöse Konflikte in Marokko

In Marokko bestehen weiterhin erhebliche Spannungen im Umgang mit Religion und religiöser Vielfalt. Nicht-muslimische Minderheiten wie Christen, Bahai und Schiiten fordern staatliche Anerkennung, stoßen jedoch häufig auf rechtliche und gesellschaftliche Hürden. Atheisten und LGBTQ+-Personen erleben ebenfalls Diskriminierung. Sie verbergen ihre Überzeugungen oder Identität oft aus Angst vor sozialen oder rechtlichen Konsequenzen.

Besonders während des Ramadan verschärfen sich Konflikte. In dieser Zeit ist öffentliches Essen gesetzlich verboten, was nicht-religiöse Marokkaner und Touristen gleichermaßen vor Herausforderungen stellt. Diese Regelung führt nicht nur zu Spannungen zwischen religiösen und nicht-religiösen Personen, sondern wirft auch Fragen über individuelle Freiheiten auf.

Ein zentraler Widerspruch zeigt sich im Spannungsfeld zwischen dem Wunsch nach einem modernen und toleranten Image und den tief verwurzelten religiösen Traditionen. Während die Regierung offiziell Toleranz propagiert, bleibt die Realität für religiöse Minderheiten und Nicht-Gläubige oftmals schwierig.

Die zunehmende Globalisierung verkompliziert die religiöse Landschaft weiter. Traditionelle islamische Werte und moderne globale Einflüsse existieren nebeneinander und beeinflussen sich gegenseitig, was die gesellschaftlichen und kulturellen Dynamiken in Marokko noch vielschichtiger macht. Diese Entwicklung stellt das Land vor die Herausforderung, Tradition und Moderne auszubalancieren.

Fazit

Marokko ist ein Land, in dem der Islam die zentrale religiöse Identität bestimmt. Gleichzeitig beeindruckt es durch eine kulturelle Vielfalt, die in seiner Geschichte tief verwurzelt ist. Die lange Geschichte des Judentums und die Präsenz einer kleinen christlichen Gemeinschaft zeugen von dieser Vielschichtigkeit und bereichern die religiöse Landschaft des nordafrikanischen Staates.  

Trotz Herausforderungen fördert Marokko eine Diskussion über Toleranz und den Umgang mit kultureller und religiöser Vielfalt. Die Balance zwischen Tradition und Moderne bleibt eine zentrale Aufgabe, die das Land auch in Zukunft stark prägen wird.

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