Die Medersa Ben Youssef: Glanzstück der islamischen Architektur in Marrakesch

Die Medersa Ben Youssef gilt als bedeutendste und zugleich größte historische Koranschule (Madrasa) Marokkos im Herzen der Medina von Marrakesch. Direkt neben der gleichnamigen Moschee und in unmittelbarer Nähe zu den Souks gelegen, verkörpert sie ein herausragendes Beispiel marokkanisch-maurischer Baukunst, das bis heute Besucher aus aller Welt in seinen Bann zieht.

Geschichte der Medersa Ben Youssef

Die Geschichte der Medersa Ben Youssef zeugt von zwei prägenden Dynastien, die ihren Charakter formten. Die Gründung wird von Experten auf den Beginn des 14. Jahrhunderts datiert, wahrscheinlich unter der Ägide des Meriniden-Sultans Abou el Hassan. Dieser kunstsinnige Monarch legte den Grundstein für das akademische Zentrum, das seine Funktion als religiöse Hochschule über mehr als sechs Jahrhunderte aufrechterhalten sollte.

Ihre heutige, überaus prachtvolle Gestalt erhielt die Medersa Ben Youssef jedoch erst in der Mitte des 16. Jahrhunderts. Zwischen 1564 und 1570 ließ die Saadier-Dynastie unter Sultan Abdallah El Ghalib das Gebäude umfassend ausbauen und neu dekorieren. Diese dynastische Überformung ist im gesamten Komplex sichtbar: Das Ensemble vereint typische Stilelemente der marokkanisch-maurischen Baukunst mit feiner Meriniden- und Saadier-Ornamentik. Es war dieser prachtvolle Ausbau, der die Medersa zur größten islamischen Hochschule des Maghrebs machte, wo bis zu 900 Koranschüler gleichzeitig untergebracht waren.

Aufbau und Architektur der Medersa Ben Youssef

Die Architektur der Medersa Ben Youssef besticht durch ihren bewussten Kontrast zwischen außen und innen. Das Bauwerk präsentiert sich zur Gasse hin schlicht und fensterlos, wodurch eine klare Trennung zur lärmenden Außenwelt geschaffen wird. Der Zugang erfolgt durch ein prächtig geschnitztes Bronzetor, das mit filigranen Zedernholzschnitzereien und Mosaiken verziert ist.

Der Innenhof: Eine Oase der Harmonie

Hinter dem Portal eröffnet sich der große, rechteckige Innenhof (Patio), der von harmonisch angelegten Arkaden umschlossen wird. Der Boden besteht aus kühlem Carrara-Marmorboden, der nicht nur zur Würde des Ortes beiträgt, sondern auch zur Kühlung der Luft beiträgt. In der Mitte des Hofes befindet sich ein zentrales Wasserbecken. Die Funktion dieses Beckens hatte neben dem ästhetischen Aspekt auch eine reinigende und kühlende Bedeutung, da es für die im Koran vorgeschriebene rituelle Waschung (wuḍūʾ) vor dem Betreten des Betsaals genutzt wurde.

Die Proportionen des Hofes zeugen von der hohen mathematischen und künstlerischen Präzision islamischer Baukunst. Die klare Gliederung und Durchlässigkeit von Raum und Licht schaffen eine einzigartige Atmosphäre, die zum Studium und zur spirituellen Einkehr einlädt. Die Wände und Pfeiler des Innenhofs sind bis heute ein Zeugnis höchster Handwerkskunst. Die untere Zone ist von filigranen Mosaiken (Zellij) bedeckt, während sich in der mittleren Ebene plastischer Stuck (Gipsputz) und in der oberen Zone aufwendige Zedernholzschnitzereien zeigen.

Der Betsaal und das Leben der Koranschüler

Von herausragender kunsthistorischer Bedeutung ist der Betsaal, der gegenüber dem Eingangsportal liegt. Um den Raum zu gliedern, wird er durch drei reich verzierte Marmorsäulen in separate Segmente geteilt. Dieses architektonische Merkmal betont die Tiefe des Raumes, während das wahre Highlight nach oben führt: die mächtige Kuppel aus geschnitztem Zedernholz. In diese Kuppel sind 24 kleine Fenster aus buntem Mosaikglas eingesetzt, die ein eindrucksvolles Wechselspiel von Farbe, Licht und Ornamentik erzeugen, sobald die Sonne durch die farbigen Gläser scheint.

Konträr zur Pracht des Gebetssaales stehen die Unterkünfte der Studenten. Rund um den Hof und die Innenhöfe gruppieren sich in den oberen Stockwerken bis zu 150 kleine, schlichte Zellen. Diese schmalen, schmucklosen Kammern dienten einst den bis zu 900 Koranschülern als einfache Unterkunft, wo sie auch ihre Mahlzeiten zubereiteten. Wer heute die Medersa Ben Youssef betritt, erlebt einen Ort von beeindruckender Ruhe und Schönheit, abgeschirmt vom Lärm der Souks und erfüllt von der geistigen Aura einer jahrhundertelangen Wissenschaftsgeschichte.

Die Koranschule bleibt für Kunsthistoriker wie für Besucher ein einzigartiges Zeugnis marokkanisch-islamischer Kultur und Architektur, das in seiner Geschlossenheit selbst mit renommierten Bauwerken wie der Alhambra in Granada verglichen werden kann.

Restaurierungen der Medersa Ben Youssef

Die Medersa Ben Youssef fungierte bis zum Jahr 1960 als aktives religiöses und juristisches Ausbildungszentrum, bis der Lehrbetrieb eingestellt wurde. Die anschließende Vernachlässigung des Bauwerks führte über Jahrzehnte hinweg zu signifikanten Schäden an der filigranen und substanziellen Bausubstanz. Glücklicherweise wurde der historische und kunsthistorische Wert des Gebäudes frühzeitig erkannt, was mehrere bedeutende Rettungsaktionen zur Folge hatte. 

Eine erste aufwendige und grundlegende Restaurierung des Komplexes fand bereits im Jahr 1999 statt, nach deren Abschluss die Medersa als Museum für das Publikum wiedereröffnet wurde.

Die umfassende Renovierung 2018–2022

Angesichts des fortschreitenden altersbedingten Verfalls und der starken Abnutzung durch intensiven Besucherbetrieb war nach der Restaurierung von 1999 eine erneute, tiefgreifende Sanierung der Medersa Ben Youssef unumgänglich geworden. Die umfassende Renovierung begann im November 2018. Ziel dieser fast vierjährigen Mammutaufgabe, die vom marokkanischen Kulturministerium geleitet wurde, war es, eines der wichtigsten Denkmäler der arabisch-andalusischen Architektur zu sichern. Dringender Sanierungsbedarf bestand insbesondere bei Feuchtigkeitsschäden, abgeplatztem Stuck, bröckelnden Holzschnitzereien und beschädigten Zellij-Mosaiken.

Die Arbeiten umfassten die Restaurierung und Konservierung der filigranen Zellij-Mosaiken an Wänden und Böden, wobei defekte Fliesen durch originalgetreue Handarbeit spezialisierter Kunsthandwerker ersetzt wurden. Ebenso wurde die Aufarbeitung sämtlicher Stuckarbeiten vorgenommen, insbesondere der floral und kalligraphisch verzierten Rippen und Arkaden im Innenhof und Gebetsraum. Zudem wurden die Holzschnitzereien an Türen, Kuppeln und Dachgesimsen mithilfe traditioneller Techniken repariert und konserviert. Bauliche Maßnahmen umfassten auch die Abdichtung gegen Feuchtigkeit, die Sanierung der Schlafräume der Koranschüler und die Wiederherstellung des Marmorpools für rituelle Waschungen.

Nach Abschluss der vierjährigen Arbeiten wurde die Medersa Ben Youssef am 20. April 2022 feierlich wieder für das Publikum geöffnet und gilt nun als Modellprojekt für den Erhalt von Kulturerbe in Marokko und Nordafrika.

Praktische Informationen zum Besuch der Medersa Ben Youssef

Wenn du dich für Geschichte, Kunst, Religion oder Architektur interessierst, dann sollte die Medersa Ben Youssef zum Pflichtprogramm deines Aufenthalts in Marrakesch gehören. 

Powered by GetYourGuide

Lage und Empfehlungen

Die Medersa Ben Youssef befindet sich in der nördlichen Medina von Marrakesch, in unmittelbarer Nachbarschaft zur Ben-Youssef-Moschee und in fußläufiger Entfernung zu wichtigen Sehenswürdigkeiten wie dem Musée de Marrakech.

Die beste Besuchszeit ist entweder am frühen Morgen oder am späten Nachmittag, um so den größten Touristengruppen und dem hellsten Licht zu entgehen. Plane für die Besichtigung eine gute Stunde ein.

Die Medersa Ben Youssef ist täglich von 9 bis 17 Uhr geöffnet. Während des Ramadans sind die Öffnungszeiten auf 10 bis 16 Uhr eingeschränkt.

Eintrittspreise
50 DHAusländische Erwachsene
20 DHMarokkanische Erwachsene
10 DHKinder unter 12 Jahren
30 DHGruppen ab 21 Personen