Die Geschichte Marokkos ist reich an Einflüssen: Berber prägten das Land ebenso wie mächtige Dynastien und koloniale Mächte. Dieses vielfältige Erbe formt bis heute die Identität des Landes. In diesem Überblick erfährst du, wie Marokko sich über Jahrhunderte hinweg verändert hat, welche Herrscher das Land prägten und wie es schließlich seine Unabhängigkeit erlangte.
Das nordafrikanische Land Marokko bildet eine Schnittstelle zwischen Orient, Afrika und Europa. Daher prägten verschiedene Kulturen und Dynastien die bewegte Geschichte der letzten Jahrtausende. Angefangen von den frühen menschlichen Siedlungen über mächtige islamische Reiche bis hin zur Kolonialzeit und dem Kampf um Unabhängigkeit hat Marokko eine bemerkenswerte Entwicklung durchlaufen, die das Land zu dem gemacht hat, was es heute ist.
Inhalt
Die historischen Wurzeln Marokkos
Die Geschichte Marokkos reicht weit zurück. Archäologische Funde belegen eine sehr frühe menschliche Präsenz. Schon vor 700.000 Jahren lebte Homo erectus auf dem Gebiet des heutigen Marokko. Homo sapiens, der moderne Mensch, trat vor etwa 145.000 Jahren erstmals auf. Die Menschen lebten zunächst als Jäger und Sammler, bevor sie langsam zur sesshaften Lebensweise übergingen.
Im Laufe des 2. Jahrtausends v. Chr. siedelten die Berber im Gebiet von Marokko. Es bildeten sich drei große Berberstämme: die Sanhadscha, die Zanata und die Masmuda. Die Berber legten den Grundstein für eine reiche Kultur, die bis heute das Rückgrat der marokkanischen Identität bildet.
In der Antike wurde Nordafrika von verschiedenen Eroberern eingenommen. So gründeten die Phönizier ab dem 12. Jahrhundert v. Chr. Handelsniederlassungen. Nachdem Rom 146 v. Chr. über Karthago gesiegt hatte, wurde auch Marokko Teil des Römischen Reiches. Die Römer nannten diese Provinz Mauretania Tingitana und brachten das Christentum mit. Im Jahr 429 eroberten die Vandalen Nordafrika und errichteten ein eigenes Reich.
Die Ära der großen Dynastien
Ab dem 7. Jahrhundert drangen die Araber bis nach Marokko vor. Sie nannten die Region Maghreb, was „Westen“ oder „Sonnenuntergang“ bedeutet. In zahlreichen Aufständen wehrten sich die Berber zunächst gegen die Islamisierung. Dennoch konnte Idris I. 789 ein arabisches Reich errichten und begründete das Herrschergeschlecht der Idrisiden. Ihre Hauptstadt wurde Fès.
In den folgenden Jahrhunderten prägten verschiedene Dynastien das Land:
- Die Almoraviden (1062-1147) errichteten ein Großreich, das sich vom Senegal bis nach Spanien erstreckte. Sie gründeten Marrakesch als neue Hauptstadt.
- Die Almohaden (1147-1269) lösten die Almoraviden ab und erweiterten das Reich noch weiter. Sie hinterließen beeindruckende Bauwerke wie die Koutoubia-Moschee in Marrakesch.
- Die Meriniden (1269-1465) übernahmen die Macht nach dem Zerfall des Almohaden-Reiches und machten Fès wieder zur Hauptstadt.
- Die Wattasiden (1465-1549) errangen 1472 die Herrschaft über Marokko, konnten aber das Vordringen der Spanier und Portugiesen nicht verhindern.
Saaditen: Widerstand gegen europäische Expansion
Die Saaditen-Dynastie (1549-1664) markierte einen Wendepunkt in der marokkanischen Geschichte. Sie widersetzte sich erfolgreich den osmanischen Expansionsbestrebungen und schlug 1578 in der berühmten „Schlacht der drei Könige“ einen portugiesischen Invasionsversuch zurück. Unter ihrer Herrschaft erlebte Marokko eine wirtschaftliche Blütezeit durch den Handel mit europäischen Mächten.
1664 übernahm die bis heute regierende Alawiten-Dynastie die Macht. Trotz ihrer Bemühungen, die Unabhängigkeit zu wahren, geriet Marokko zunehmend unter europäischen Einfluss. Der Sultan Moulay Hassan (1873-1894) versuchte durch Modernisierungsmaßnahmen und geschickte Diplomatie die wirtschaftliche Vormachtstellung der Europäer zu verhindern, konnte den Lauf der Geschichte jedoch nicht aufhalten.
Der Beginn der Kolonialzeit — Wendepunkt in der Geschichte Marokkos
Die zunehmende Schwäche des marokkanischen Staates sowie innere Unruhen führten schließlich zur Kolonisierung. Am 30. März 1912 unterzeichnete Sultan Mulay Hafid den „Vertrag von Fès“, wodurch Marokko zum französischen Protektorat wurde. Ein französisch-spanischer Vertrag teilte das Land in zwei Protektoratszonen: Der Großteil fiel an Frankreich, während Spanien Gebiete im Norden und Süden erhielt.
Die Kolonialzeit brachte tiefgreifende Veränderungen mit sich. Französisch wurde zur offiziellen Verwaltungssprache, und französische Siedler, die sogenannten „Colons“, übernahmen wichtige Positionen in Wirtschaft und Verwaltung. Das 1930 erlassene Berbergesetz („Dahir berbère“) versuchte, Berber und Araber zu trennen, was zu heftigen Protesten führte und den Widerstand gegen die Kolonialherrschaft verstärkte.
Kampf um Unabhängigkeit
Die Unabhängigkeitsbewegung gewann in den folgenden Jahren an Kraft. So wurde 1934 die erste politische Partei „Comité d’Action Marocain“ gegründet, gefolgt von der „Istiqlal-Partei“ im Jahr 1943, die offen die Unabhängigkeit forderte. Ein entscheidender Moment war die Exilierung von Sultan Mohammed V. nach Madagaskar im Jahr 1953, die zu landesweiten Aufständen führte.
Nachdem der Zweite Weltkrieg vorbei war, verstärkten sich die Proteste und Aufstände gegen die Kolonialherrschaft. Die zunehmenden innenpolitischen Probleme und der internationale Druck zwangen Frankreich schließlich zum Einlenken. Am 2. März 1956 erlangte Marokko seine Unabhängigkeit zurück. Mohammed V., der 1955 triumphierend aus dem Exil zurückgekehrt war, wurde 1957 zum König proklamiert und leitete damit eine neue Ära in der marokkanischen Geschichte ein.
Marokko in der modernen Ära
Mit der Thronbesteigung von König Mohammed VI. im Jahr 1999 begann für Marokko eine neue Ära der Modernisierung und vorsichtigen Liberalisierung. Im Gegensatz zur autoritären Herrschaft seines Vaters Hassan II., die von politischer Repression und wirtschaftlicher Unterentwicklung geprägt war, präsentierte sich Mohammed VI. als Reformer und „König der Armen“.
In den vergangenen 25 Jahren seiner Regentschaft hat Mohammed VI. bedeutende Fortschritte in verschiedenen Bereichen erzielt:
- Menschenrechte: Er setzte Initiativen zur Verbesserung der Menschenrechtslage um, wie die Errichtung der „Instance Equité et Réconciliation“ zur Aufarbeitung vergangener Menschenrechtsverletzungen.
- Familienrecht: Die Liberalisierung des Familienrechts stärkte die Rechte der Frauen.
- Kulturelle Vielfalt: Die Förderung der Berbersprachen trug zur Anerkennung der kulturellen Vielfalt des Landes bei.
- Wirtschaftliche Modernisierung: Marokko durchläuft einen Wandel vom Agrar- zum Industrie- und Dienstleistungsland, mit Schwerpunkten in der Auto- und Luftfahrtindustrie sowie der Phosphatproduktion.
Obwohl diese Fortschritte erzielt wurden, steht Marokko weiterhin vor erheblichen Herausforderungen. Die Arbeitslosigkeit, insbesondere unter Jugendlichen, bleibt hoch, und mehr als drei Viertel der Beschäftigten arbeiten im informellen Sektor. Die politische Macht des Königs bleibt weitgehend unangetastet, was Kritiker als Hindernis für eine vollständige Demokratisierung sehen.
Ausblick auf die Zukunft
Aktuell setzt die marokkanische Regierung auf Investitionen, insbesondere aus privaten Quellen, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. Für 2025 werden verstärkte Initiativen in den Bereichen Wasserstoffwirtschaft, Solar- und Windenergie erwartet. Diese Entwicklungen könnten Marokko helfen, seine Position als regionales Wirtschaftszentrum zu stärken und gleichzeitig Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit zu machen.
Die Zukunft Marokkos bleibt spannend, insbesondere angesichts der gesundheitlichen Probleme des Königs und der möglichen Vorbereitung des 21-jährigen Kronprinzen Moulay Hassan auf die Thronfolge. Es bleibt abzuwarten, ob der eingeschlagene Weg der Modernisierung fortgesetzt und vertieft wird, um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu begegnen und die Hoffnungen der marokkanischen Bevölkerung auf mehr Wohlstand und politische Teilhabe zu erfüllen.