Das Erdbeben in Marokko im September 2023: Ursachen, Folgen und Vergleich

Am 8. September 2023 erschütterte ein starkes Erdbeben das Zentrum Marokkos. Es war die schwerste Naturkatastrophe des Landes seit über 100 Jahren. Tausende Menschen starben, Dörfer wurden zerstört, historische Bauten schwer beschädigt. Noch heute sind die Folgen spürbar. Das Beben machte deutlich, wie gefährdet Marokko durch Erdbeben ist – und wie groß die Herausforderungen beim Schutz von Menschenleben und Kulturerbe bleiben.

Das starke Erdbeben im Hohen Atlas von Marokko wird als das stärkste in Marokko seit einem Jahrhundert eingestuft. Die Katastrophe forderte 2.946 Todesopfer und 5.674 Verletzte, rund 60.000 Häuser wurden zerstört oder beschädigt, was etwa 380.000 Menschen obdachlos machte. Besonders verheerend wirkten sich die Erschütterungen in den abgelegenen Bergregionen des Atlasgebirges aus, wo traditionelle Lehmziegelbauten vorherrschen.

Zwar war das Erdbeben in Marokko deutlich schwächer als andere schwere Erdbeben auf der Erde, doch waren die Todeszahlen und das Ausmaß der Zerstörung auch in Marokko verheerend. Ursächlich dafür waren Faktoren wie die relativ geringe Tiefe des Hypozentrums, die extreme Anfälligkeit der lokalen Bausubstanz, die Uhrzeit sowie die geografische Isolation der am stärksten betroffenen Gebiete.

Geotektonische Ursachen des Erdbebens in Marokko

Marokko liegt an der Grenze zweier großer Erdplatten – der Afrikanischen und der Eurasischen Platte. Diese Platten bewegen sich sehr langsam aufeinander zu. Trotzdem führt dieser Druck immer wieder zu Erdbeben, besonders im Norden und in der Mitte des Landes.

Über Millionen von Jahren haben sich dadurch Bruchlinien im Untergrund gebildet, sogenannte Verwerfungszonen. Vor allem im Hohen Atlas, dem zentralen Gebirge Marokkos, kommt es in diesen Zonen zu Spannungen. Wenn sich diese Spannungen plötzlich entladen, kann die Erdkruste aufreißen – es kommt zu einem Erdbeben.

Das Epizentrum des Bebens – der Punkt an der Erdoberfläche über dem Ursprung – lag etwa 74 Kilometer südwestlich von Marrakesch, im südwestlichen Hohen Atlas. Das Beben ereignete sich in rund 26 bis 27 Kilometern Tiefe. Diese vergleichsweise geringe Tiefe ist ein entscheidender Faktor für die starke Spürbarkeit und die zerstörerische Wirkung der Erschütterungen an der Oberfläche.

Das Beben entstand entlang einer etwa 20 mal 30 Kilometer großen Bruchzone. Dabei schob sich eine Gesteinsschicht über eine andere – ein Vorgang, der typisch ist für sogenannte Aufschiebungserdbeben. Bei dieser Art von Erdbeben wirken Druckkräfte, die das Gestein nicht auseinanderziehen, sondern gegeneinanderpressen.

Stärke und Verlauf des Bebens

Das Erdbeben in Marokko traf die Region am 8. September um 23:11 Uhr Ortszeit. Die Erschütterung dauerte nur wenige Sekunden, richtete aber schwere Schäden an. In vielen betroffenen Orten wurde eine Erdbebenintensität der Stufen acht bis neun erreicht. Diese Skala misst, wie stark ein Beben vor Ort wahrgenommen wird und wie groß die Schäden sind – bei Stufe neun ist mit sehr schweren Zerstörungen zu rechnen.

Die Stärke des Bebens – die sogenannte Magnitude – lag laut verschiedenen Messungen zwischen 6,8 und 6,9. Damit war es das stärkste Beben, das in Marokko jemals mit Instrumenten aufgezeichnet wurde.

In den ersten 80 Stunden nach dem Hauptbeben registrierten Wissenschaftler mindestens 85 Nachbeben. Die meisten von ihnen waren allerdings deutlich schwächer und lagen unter einer Magnitude von 4,0. Trotzdem waren einige Erschütterungen noch in Teilen von Spanien, Portugal und Algerien zu spüren.

Betroffene Regionen und das Ausmaß der Zerstörung

Das Epizentrum des Erdbebens lag in der Provinz Al Haouz, nahe der Stadt Adassil und dem Bergort Oukaïmeden, tief im Atlasgebirge. Die am stärksten betroffenen Provinzen waren Al Haouz, Chichaoua und Taroudant. Diese drei Provinzen machten 90% der Todesfälle und Verletzungen aus, und in ihnen waren schätzungsweise eine Million Menschen direkt betroffen. Weitere Gebiete, die ebenfalls Schäden verzeichneten, waren Ouarzazate und Azilal.

Obwohl Marrakesch, eine Großstadt mit 840.000 Einwohnern, starke, schädigende Erschütterungen erlebte, ereignete sich die schwerste Zerstörung in den kleinen, ländlichen Gemeinden des Hohen Atlas. Dörfer wie Adassil, das weniger als 10 Kilometer vom Epizentrum entfernt liegt, und Tafeghaghte erlitten massive Schäden. Das Erdbeben zerstörte das Dorf Tafeghaghte fast vollständig. Die Hälfte seiner Bewohner galt als tot oder vermisst. In vielen dieser abgelegenen Bergdörfer wurden Häuser vollständig zu Schutt und Asche pulverisiert, was die Rettungsarbeiten extrem erschwerte.

Die Erschütterungen waren weitreichend und wurden auch in anderen marokkanischen Städten wie Casablanca, Agadir, Essaouira und Rabat sowie in den Nachbarländern Algerien und Portugal wahrgenommen. 

Auswirkungen des Erdbebens in Marrakesch auf die Bevölkerung

Die menschliche Tragödie: Todesfälle, Verletzungen und Vertreibung

Die marokkanischen Behörden meldeten 2.946 Todesfälle und 5.674 Verletzte. Schätzungsweise 600.000 Menschen waren direkt von dem Erdbeben betroffen, davon 380.000 vorübergehend oder dauerhaft obdachlos. Aus Angst vor weiteren Nachbeben suchten viele Überlebende Schutz im Freien.

Die unmittelbaren und quantifizierbaren menschlichen Auswirkungen des Erdbebens in Marokko sind in der folgenden Tabelle zusammengefasst:

Kategorie der AuswirkungAnzahl
Todesfälle2.946
Verletzte5.674
Obdachlose (temporär/permanent)380.000
Direkt Betroffene600.000
Zerstörte/beschädigte Häuser59.674

Zerstörung von Wohnraum und kritischer Infrastruktur

Auch die Auswirkungen auf Wohnraum und Infrastruktur waren verheerend. Fast 60.000 Häuser wurden beschädigt oder zerstört. In einigen Gebieten blieb kein einziges Haus stehen. Die Rettungs- und Hilfsmaßnahmen wurden durch beschädigte und blockierte Straßen erheblich erschwert, insbesondere in den unwegsamen Bergregionen. Dies machte den Einsatz von Hubschraubern für den Transport von Verletzten in Krankenhäuser notwendig.

Die Bildungslandschaft erlitt ebenfalls schwere Rückschläge: Insgesamt 530 Bildungseinrichtungen und 55 Internate wurden beschädigt, was die Bildung von 100.000 Kindern beeinträchtigte. Auch das Gesundheitssystem war stark betroffen. So meldeten Krankenhäuser und Kliniken aufgrund struktureller Schäden akute Probleme, überhaupt arbeiten zu können. Schnell folgten in einigen Regionen Engpässe bei sauberem Wasser und Nahrungsmitteln, welche die Notlage verschärften.

Sozioökonomische Folgen

Das Erdbeben in Marokko hatte zudem gravierende volkswirtschaftliche Auswirkungen. So ging Marokkos Wirtschaftsleistung 2023 um etwa 0,24 % zurück. Diese entspricht einem Verlust von rund 3 Milliarden Dirham (etwa 300 Millionen US-Dollar). Um die Schäden zu bewältigen, hat die Regierung ein umfangreiches Wiederaufbauprogramm gestartet. Es soll fünf Jahre laufen und ist mit etwa 120 Milliarden Dirham (rund 11,7 Milliarden US-Dollar) ausgestattet. Geplant sind unter anderem direkte Hilfe für betroffene Familien, der Wiederaufbau von Häusern und Straßen sowie Maßnahmen zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region.

Kurz nach dem Beben begann die humanitäre Hilfe. Das Marokkanische Rote Kreuz versorgte Verletzte, half bei der Evakuierung und betreute traumatisierte Menschen. Die internationale Rotkreuz-Organisation stellte zusätzlich Hilfsgüter, sauberes Trinkwasser, Notunterkünfte und Bargeldhilfen für rund 500.000 Menschen bereit.

Herausforderungen beim Wiederaufbau und langfristige Folgen

Der Wiederaufbau nach dem Erdbeben in Marokko ist besonders in abgelegenen Bergregionen schwierig und langwierig. Viele Menschen leben auch ein Jahr später noch in Notunterkünften. Schulen müssen repariert werden, und die medizinische Versorgung ist oft unzureichend.

Trotz der hohen Schäden sehen Experten im Wiederaufbau auch eine wirtschaftliche Chance. Neue Investitionen könnten die regionale Entwicklung ankurbeln. Gleichzeitig stellt das Projekt eine große Belastung für die Staatsfinanzen dar und könnte zu höheren Schulden führen.

Der 5-Jahres-Plan der Regierung, mit 120 Milliarden Dirham (etwa 11,7 Milliarden US-Dollar) ausgestattet, soll nicht nur zerstörte Gebäude ersetzen. Ziel ist auch, Häuser und Infrastruktur widerstandsfähiger zu machen, die lokale Wirtschaft zu stärken und den Tourismus zu fördern. Entscheidend ist die Finanzierung dieses Plans. Kommen neue Mittel zum Einsatz, könnte das die Wirtschaft insgesamt stärken.

Schäden am kulturellen Erbe Marokkos

UNESCO-Welterbestätten unter Beschuss

Das Erdbeben in Marokko vom September 2023 verursachte schwere Schäden an mehreren UNESCO-Welterbestätten in Marokko. Die mittelalterliche Medina von Marrakesch, die seit 1985 zum UNESCO-Welterbe gehört, erlitt erhebliche Beschädigungen. Insbesondere der alte jüdische Stadtteil Mellah wurde schwer getroffen, wo viele historische Häuser stark beschädigt wurden.

Ein weiteres markantes Beispiel für die Zerstörung ist das Minarett der Kharbouch-Moschee auf dem Djemaa el Fna, das fast vollständig zerstört wurde. Weiterhin stürtzen Abschnitte der historischen Stadtmauern von Marrakesch ein. Zudem wie das Minarett der Koutoubia-Moschee, dem ikonischen Wahrzeichen von Marrakesch, nach dem Erdbeben erhebliche Risse auf. Die Bahia- und El Badi-Paläste hielten den Erschütterungen stand, zeigten jedoch ebenfalls besorgniserregende Risse. 

Besonders tragisch ist der Verlust der Tinmel-Moschee im Hohen Atlas. Dieses historische Bauwerk, ein Symbol der Almohaden-Dynastie und seit 1995 auf der UNESCO-Tentativliste, zerstörte das Erdbeben Berichten zufolge fast vollständig. Ihre Zerstörung stellt einen unschätzbaren Verlust für das nationale Erbe Marokkos dar. Nur sieben Monate vor dem Erdbeben hatte ein Restaurierungsprojekt begonnen, das auch Pläne für ein neues Museum neben der Stätte umfasste.

Das Erdbeben beschädigte auch das Ksar Aït Ben Haddou, eine befestigte Stadt und UNESCO-Welterbestätte, die für ihre einzigartige Lehmarchitektur bekannt ist und als Drehort für Filme wie „Lawrence von Arabien“ diente. Insbesondere der kollektive Getreidespeicher, der den Ksar überblickt, erlitt schwere Schäden. Insgesamt wurden laut marokkanischen Online-Publikationen 27 historische Stätten in der Region Marrakesch, Taroudant und Ouarzazate zerstört oder beschädigt.

Die Bedeutung des verlorenen Kulturguts

Das Erdbeben in Marokko zerstörte auch viele historische Gebäude, die für das Leben der Menschen eine zentrale Rolle spielten. Es handelte sich nicht nur um Sehenswürdigkeiten, sondern um Orte des Alltags – zum Wohnen, Arbeiten, Einkaufen oder Beten. Ihr Verlust bedeutet auch einen Verlust an kultureller Identität.

Der Wiederaufbau solcher Stätten ist deshalb nicht nur für den Tourismus, sondern auch für den Zusammenhalt in den betroffenen Regionen wichtig.

Vergleich mit anderen bedeutenden Erdbeben in Marokko

Um die Schwere und die Auswirkungen des Erdbebens in Marokko vom September 2023 besser einzuordnen, ist ein Vergleich mit anderen bedeutenden seismischen Ereignissen weltweit aufschlussreich.

Das Erdbeben von Agadir 1960: Eine historische Parallele

Am 29. Februar 1960 erschütterte ein Erdbeben der Magnitude 5,8 die Stadt Agadir. Obwohl es schwächer war als das Beben von 2023, war es durch seine geringe Tiefe von nur 15 Kilometern und die Nähe zur Stadt besonders zerstörerisch. Schätzungsweise 12.000 bis 15.000 Menschen starben – etwa ein Drittel der damaligen Stadtbevölkerung.

Ein Hauptgrund für die hohe Opferzahl war auch beim Erdbeben in Agadir die schlechte Bauweise vieler Gebäude. Vor allem traditionelle Lehmhäuser hielten den Erschütterungen nicht stand. Auch viele moderne Bauten aus Stahlbeton waren unzureichend geplant oder ausgeführt.

Als Reaktion wurden in Marokko erstmals verbindliche Bauvorschriften eingeführt. Doch das Beben von 2023 zeigt, dass diese Regeln – besonders in abgelegenen Regionen – häufig nicht umgesetzt werden. Die Folgen ähnelten daher denen von Agadir: Viele Gebäude stürzten ein, weil sie schlecht gebaut oder nachträglich verändert worden waren.

Dabei zeigen Untersuchung, dass weniger entscheidend ist, ob traditionell oder modern gebaut wird. Viel wichtiger ist die Qualität der Ausführung. Wo solide gebaut wurde, hielten Häuser besser stand. Wo gespart oder falsch geplant wurde, versagten sie.

Fazit zum Erbeben in Marokko

Das Erdbeben vom September 2023 hat Marokko schwer getroffen – mit Tausenden Toten, massiven Zerstörungen in Dörfern und Städten sowie dem Verlust wertvoller Kulturgüter. Besonders betroffen waren ländliche Regionen mit traditioneller Bausubstanz und schlechter Infrastruktur. Die Katastrophe hat auf dramatische Weise gezeigt, wie verletzlich diese Gebiete gegenüber Naturgefahren sind.

Für Marokko ergibt sich daraus der klare Handlungsauftrag, dass Bauvorschriften strenger umgesetzt und bestehende Gebäude nachgerüstet werden müssen, um den Katastrophenschutz zu stärken. Der Wiederaufbau sollte nicht nur beschädigte Strukturen ersetzen, sondern sie auch widerstandsfähiger machen. Auch der Erhalt kultureller Stätten spielt dabei eine zentrale Rolle, denn ihr Wiederaufbau unterstützt die gesellschaftliche Erholung und Identität der betroffenen Gemeinden.

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