Marrakesch – die Geschichte der legendären Königsstadt

Marrakesch zählt zu den ältesten und geschichtsträchtigsten Metropolen Nordafrikas. Ihre Gründung und Entwicklung spiegeln die wechselvolle Geschichte Marokkos wider – geprägt von Dynastien, Eroberungen, wirtschaftlichen Blütezeiten und Phasen des Wandels. Im Folgenden wird die Historie Marrakeschs von ihren Anfängen im 11. Jahrhundert bis zur lebendigen Gegenwart nachgezeichnet.

Die Gründung und Blüte von Marrakesch unter den Almoraviden

In der Zeit vor 1000 n. Chr. diente das Gebiet im Südwesten Marokkos, wo heute Marrakesch liegt, überwiegend als Rastplatz für Karawanen auf dem Weg zwischen dem Sahara-Raum und dem fruchtbaren Norden. Mit der Wahl dieser Region als Stützpunkt durch den Berberführer Abu Bakr ibn Umar erhielt der Ort ab 1062 erstmals strategische Bedeutung, als die ersten Moscheen und Wohnhäuser entstanden. Das offizielle Gründungsjahr von Marrakesch wird jedoch meist mit 1070 angegeben – Abu Bakr ibn Umar gründete die Stadt als Zentrum der Almoraviden-Dynastie, deren Bewegung von religiöser Erneuerung und militärischem Expansionismus getrieben war.

Kurz nach der Gründung ließ sein Nachfolger Yusuf ibn Taschfin Marrakesch gezielt zur neuen Hauptstadt ausbauen. Er ordnete den Bau von großen Palmengärten, Verwaltungseinrichtungen und religiösen Bauten an und verlegte das politische Zentrum der Almoraviden von der Sahara nach Marrakesch. Der Sohn und Nachfolger Ali ibn Yusuf befestigte die Stadt mit den bis heute weitgehend erhaltenen Stadtmauern. Unter der Herrschaft der Almoraviden wurde Marrakesch nicht nur Hauptstadt eines expandierenden Reiches, das Andalusien im Süden Spaniens umfasste, sondern auch ein wirtschaftlich und kulturell blühender Mittelpunkt der islamischen Welt.

Zeit der Almohaden und Saadier: Zerstörung, Wandel und neue Blüte

1147 fiel Marrakesch nach intensiven Kämpfen an die Almohaden, eine streng religiöse Reformbewegung, die sich gegen die Almoraviden erhoben hatte. Die Almohaden zerstörten zahlreiche religiöse Bauten und Paläste der Vorgänger und begannen mit einer weitgehenden Neugestaltung der Stadt. Sie errichteten die monumentale Koutoubia-Moschee, schufen prachtvolle Gärten sowie die nach außen geschützte Kasbah mit dem berühmten Stadttor Bab Agnaou. Marrakesch erlebte unter den Almohaden eine neue Blüte als Zentrum von Verwaltung, Wissenschaft und Kunst und prägte das Stadtbild bis heute entscheidend mit.

Mit dem Niedergang der Almohaden um 1269 wurde Marrakesch durch die Meriniden erobert. Sie verlegten die marokkanische Hauptstadt jedoch nach Fès. Dadurch verlor Marrakesch einen Teil seines früheren Glanzes und verfiel zeitweise, blieb aber eine bedeutende religiöse und wirtschaftliche Metropole. 

Erst mit den Saadiern im 16. Jahrhundert (ab 1554) erlangte Marrakesch wieder den Status einer Hauptstadt und wurde politisch wie kulturell erneuert. In dieser Ära entstanden die berühmten Saadier-Gräber und prachtvolle Paläste wie der El-Badi-Palast, die das goldene Zeitalter der Stadt illustrieren.

Von den Alaouiten bis zur Kolonialära

Mit dem Aufstieg der Dynastie der Alaouiten, die Marokko (nach wie vor) regieren, verlagerte sich das politische Zentrum erneut dauerhaft nach Fès, Marrakesch blieb aber eine wichtige Residenzstadt. Während dieser Zeit erlebte die Stadt ruhige wie kriegerische Episoden – tragende Bauwerke aus dieser Phase sind unter anderem die Renovierung der Stadtmauern und historischer Viertel.

In der Kolonialzeit wurde Marrakesch nach dem Vertrag von Fès 1912 Teil des französischen Protektorats. Die französischen Kolonialherren modernisierten weite Teile der Infrastruktur, erschlossen neue Stadtviertel wie die Ville Nouvelle (Gueliz) und förderten den wirtschaftlichen Aufschwung. Die traditionelle Medina, das Herz der Altstadt, wurde jedoch weitgehend als kulturelles Erbe bewahrt. Während dieser Epoche avancierte Marrakesch zunehmend zu einem europäischen Sehnsuchtsort und Inspirationsquelle für Künstler, Schriftsteller und Geistliche aus aller Welt.

Marrakesch in der Gegenwart

Nach der Unabhängigkeit Marokkos 1956 wurde Marrakesch zu einer Symbolstadt des neuen Staates und öffnete sich dem internationalen Tourismus. Die Medina, die Koutoubia-Moschee, die farbenprächtigen Souks, der berühmte Djemaa el Fna-Platz und Gärten wie der Jardin Majorelle ziehen heute jährlich Millionen Besucher an. Im Jahr 1985 wurde die Medina in das UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen – eine Anerkennung der einzigartigen Verbindung von arabisch-berberischer Architektur, stadtgeschichtlicher Kontinuität und lebendiger Alltagskultur.

Das heutige Marrakesch ist ein Schmelztiegel historischer und moderner Elemente. Die Stadt hat sich zu einem internationalen Hotspot für Kunst, Musik und Design entwickelt, bietet spektakuläre Festivals (wie das Marrakesch International Film Festival) und verbindet wirtschaftliche Modernisierung mit dem lebendigen Erbe von Jahrhunderten.

Fazit

Marrakesch hat seit seiner Gründung als Berbermetropole eine beispiellose Wandlung durchlaufen. Als Hauptstadt der Almoraviden und Almohaden, durch den Wechsel aufstrebender und absteigender Dynastien, die Kolonialära bis zur heutigen Metropole blieb Marrakesch stets ein herausragendes Zentrum von Politik, Religion, Handwerk und Kultur in Marokko. Die dynamische Entwicklung vom Knotenpunkt für Karawanen zum Weltkulturerbe und Reiseziel macht Marrakesch bis heute zu einer faszinierenden Stadt zwischen den Zeiten.